Das paulinische Verständnis der Taufe
 
 
 
| 1. Anknüpfung an hellenistische
Tradition und deren Umprägung |  | 
Paulus knüpft an das urchristliche Verständnis der Taufe an
und führt es in seiner Theologie fort. Er setzt als selbstverständlich
voraus, dass
- 
alle Christen getauft sind (Röm.6,3).
- 
die Taufe wird auf den Namen bzw. im Namen des Kyrios vollzogen wird (1.Kor.1,13;
6,11).
- 
in der Taufe die Vergebung der Sünden (1.Kor.6,11: geheiligt,
gerecht gesprochen) und die Gabe des Geistes (1.Kor.6,11; 2.Kor.1,21f:
"..den Geist als Angeld in unsere Herzen gegeben..") verliehen wird.
- 
in der Taufe der Täufling Anteil gewinnt an Tod und Auferste ung
seines Herrn.
Paulus interpretiert damit die Taufe in hellenistisch christlicher Tradition.
Diese Tradition wird jedoch an einigen Stellen von ihm umgeprägt:
- 
Gal.3,27 formuliert Paulus: "Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft
worden seid, habt Christus angezogen". Das von Paulus hier gebrauchte Bild
vom Anlegen des Gewandes war besonders in den Mysterienreligionen
weit verbreitet zur Deutung des mit der Initiation bewirkten Geschehen:
durch die Überkleidung mit dem Gewand strömt göttliche Lebensmacht
über, die der Myste an sich als physisch-substanzielle Veränderung
erfährt. Bei Paulus ist das Bild vom Anziehen Christi von anderer
Bedeutung: Der Getaufte, der Christus angezogen hat, ist weder mit göttlicher
Kraftsubstanz erfüllt, noch befindet er sich im Zustand unverlierbaren
Heilsbesitzes. Er ist unter den Herrschaftsbereich Christi gestellt
und deshalb zum Wandel im neuen Leben gerufen (vgl dazu Röm.13,14,
wo Paulus auffordert: "Zieht den Herrn Jesus Christus an!").
- 
Der schon vor Paulus entwickelte Gedanke, dass die Taufe Anteil am Sterben
und Auferstehen Christi vermittelt, findet bei Paulus eine neue Wendung:
"...so dass auch wir in einem neuen Leben wandeln sollen" (Röm.6,4).
Im Gegensatz zu einer schwärmerischen Bewertung der Taufe, die die
als Unterpfand bereits geschehener Auferstehung und Gegenwart göttlicher
Heilskraft versteht, betont Paulus, dass unsere Auferstehung noch vor
uns liegt und erst bei der zukünftigen Auferweckung der Toten
verwirklicht werden soll (Röm.6, 5: "Denn wenn wir mit der Ähnlichkeit
seines Todes verwachsen sind, so werden wir es auch mit der
seiner Auferstehung sein"). Allerdings sind wir in der Taufe bereits
jetzt mit Christus gestorben und dadurch der Herrschaft der Sünde
und des Todes entzogen.
Durch diese beiden Korrekturen gegenüber einem von mysterienhaften
Taufverständnis wird ein enthusiastisches Missverständnis
abgewehrt: Durch die Taufe erwirbt der Täufling kein unverlierbares,
physisch vermitteltes Heil. Die Taufe wirkt nicht ex opere operato.
Die Taufe führt aber in die Spannung des "schon und noch nicht", nicht
aber bereits in ein vollendetes Heil (vgl. Kol.2,12). Im Verhalten in der
Gegenwart ist das bereits zugeeignete eschatologische Heil zu bewähren
(vgl. Die paulinische Eschatologie). Die Taufe
wird damit zu einem Motivationsgrund für das neue Leben, denn sie
verbürgt die Freiheit von der Herrschaft der Sünde.
Die Taufe darf also nicht dahingehend missverstanden werden, dass mit
ihr ein unverlierbarer Heilsbesitz geschaffen sei. Paulus weist deshalb
auf das warnende Beispiel Israels: Israel (obwohl auf Mose in Wolke
und Meer getauft) fiel unter Gottes Gericht, weil es ungehorsam war (1.Kor.10,1-13).
Die Taufe entnimmt weder aus dem Gericht, noch macht sie gegen falsche
Wege gefeit; sie unterstellt den Getauften unter die Herrschaft des Kyrios,
dem sie in ihrem Leben nachzufolgen haben.
 
 
| 2. Weitere Momente des paulinischen
Taufverständnisses |  | 
Das paulin. Taufverständnis ist ferner durch folgendes zu charakterisieren:
- 
Die Person dessen, der die Taufe vollzieht ist gleichgültig (1.Kor.1,13);
es kommt allein auf Gottes Handeln an.
- 
In 2.Kor.1,21f wird die Taufe als Salbung, Versiegelung und
Gabe d. Geistes beschrieben. "Paulus betont mit diesen ihm vor gegebenen
Formulierungen die rechtsverbindliche Zusage Gottes durch die er uns mit
Christus untrennbar verbunden hat" (Lohse, 104).
- 
Die Taufe führt in die Gemeinschaft der Kirche hinein: Der
e„j CristÒn Getaufte lebt nun ™n Cristù
(1.Kor.12,13). Dadurch können die Getauften als Söhne Gottes
bezeichnet werden (Gal.3,26: "Ihr alle seid Söhne Gottes durch den
Glauben an Christus Jesus"). In allen Aussagen, die von der Taufe handeln,
spricht Paulus im Plural ("euch, die ihr getauft seid"; "uns, die wir getauft
sind"; "wir alle..sind getauft worden"). Er will hier die Gemeinschaft
aller Glieder am Leib und die daraus resultierende Einheit betonen:
1.Kor.12,13 und Gal.3,28 betonen die in Christus begründete Einheit
am deutlichsten ("Wir alle sind in einem Geist in einen Leib hineingetauft
worden seien es Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie - ..." "Da ist
nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau;
alle seid ihr nämlich einer in Christus"). Zwar gibt es weiterhin
in der Welt Unterschiede zwischen den Menschen, aber in der Kirche handelt
der gegenwärtige, auferstandene Herr und macht dort diese Schranken
ungültig.
- 
Paulus redet von der Taufe wiederholt in passiven Formulierungen
("Ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht gemacht worden" (1.Kor.6,11); "wir
sind hineingetauft, wir sind getränkt worden" (1.Kor.12,13). Paulus
versteht die Taufe also als ein am Täufling geschehenes Handeln
Gottes.
| 3. Taufe und Gerechtigkeit Gottes
(dikaiosÚnh qeoà) |  | 
Das paulinische Taufverständnis und die Verkündigung
der Gerechtigkeit Gottes (vgl. Gerechtigkeit
Gottes (dikaiosÚnh qeoà) bei Paulus)
scheinen in den Paulusbriefen merkwürdig unverbunden: In Aussagen
des Paulus über die Taufe ist zwar immer von Gottes Handeln für
und an uns die Rede, aber nie von Rechtfertigung oder Glauben. Wo nun Paulus
von der Rechtfertigung des Sünders spricht, wird die Taufe nicht erwähnt.
Doch lassen sich bei tieferem Eindringen Zusammenhänge erkennen:
- 
Durch das Motiv der Überwindung der Sündenmacht sind Taufverständnis
und Soteriologie miteinander verknüpft (Röm.6,1-11): Christus
überwandt durch Tod und Auferstehung die Macht der Sünde, durch
die Taufe erhalten wir Anteil daran, der Glaube, der daran festhält,
empfängt die dikaiosÚnh qeoà
- 
1.Kor.1,13ff wird die Taufe ausdrücklich als Taufe auf den Namen Christi
verstanden. Damit ist der Vollzug und die Wirkung der Taufe an die Verkündigung
des Evangeliums gebunden. "Erst da, wo d. Taufe in Verbindung mit der Verkündigung
des Wortes v. Kreuz verstanden wird, ist ihr Sinn recht erfaßt" (Lohse,
106).
- 
Taufe wie Rechtfertigung stellen den Menschen in die Spannung von Indikativ
und Imperativ hinein (s.o.).
- 
Taufe wie Rechtfertigung sind ein Handeln Gottes am Menschen.
- 
Paulus kann vom Christ-Werden so sprechen, dass er die Taufe nennt,
ein anderes mal so, dass er auf das Gläubig-geworden-Sein hinweist.
In 1.Kor.15,2 spricht Paulus von dem entscheidenden Schritt des Christ-Werdens,
den er mit ™pisteÚsate beschreibt. Die
grammatikalische Form des Aorist zeigt auf einen bestimmten Punkt in der
Vergangenheit, an dem die Korinther das Ja des Glaubens als Antwort auf
das Evangelium gesprochen haben (1.Kor.15,1-5). Dieses Ja wurde in dem
Bekenntnis, das bei der Taufe laut gesprochen wurde, laut. Taufterminologie
wird in Röm.10,9 ("Denn wenn du mit deinem Munde Jesus als den Herrn
bekennst und mit deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt
hat, wirst du gerettet werden.") und im Schluss von Röm.13 (Ablegen
der Werke der Finsternis, Anlegen der Waffen des Lichts, Anziehen des Herrn
Jesus Christus) benutzt. In 13,11 weist Paulus wieder mit dem Wort
™pisteÚsamen auf den Anfang des Christ-Seins hin ("Wir sind
gläubig geworden").
So ist folgende dogmatische Aussage zwar bei Paulus nicht explizit ausgesprochen,
aber entspricht durchaus seinem Verständnis: Durch das Sakrament wird
das rechte Verständnis der Verkündigung gesichert und vor Spiritualisierung
bewahrt. "Die Taufe zeigt unübersehbar, dass Gottes Heilstat in Christus
die Getauften geschichtlich betrifft, indem leiblich an ihnen gehandelt
wird" (Lohse,107). Andererseits wirkt die Taufe erst, wo sie vom Glauben
begleitet wird. Eine Wirkung ex opere operato ist also ausgeschlossen.
 
Literatur: Ed. Lohse, Grundriß der
neutestamentlichen Theologie, S.104-108.
Copyright: Matthias Kreplin, 2000

