Die paulinische Eschatologie
 
 
1. Wichtige Texte
2. Der theologische Ort der Eschatologie
3. Die Erwartung der Totenauferstehung
4. Das zukünftige Gericht nach den Werken
5. Die Dialektik von "schon jetzt" und "noch nicht"



 
1. Wichtige Texte

Die Eschatologie ist bei Paulus nicht einfach nur der Artikel über die letzten Dinge, sondern Grundzug seiner Theologie. Explizite längere Ausführungen finden sich

2. Der theologische Ort der Eschatologie

Paulus teilt die Naherwartung des Urchristentums. In 1.Th. und 1.Kor. rechnet Paulus noch mit der Parusie zu seinen Lebzeiten. Doch in 2.Kor. verändert sich seine Position: 2.Kor.1,3-11 berichtet er von großer Bedrängnis und Todesgefahr, in der er die paq»mata Cristoà erfahren habe. In äußerster Bedrohung, schon am Leben verzweifelnd habe er aber sein Vertrauen nicht auf sich gesetzt, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt. Fortan wohl hat Paulus es für möglich gehalten, dass er vor der Parusie sterben könnte (2.Kor.5,1-10; Phil.1,23). Dennoch hat er an der Naherwartung festgehalten (Phil.4,5: Ð kÚrioj ™ggÚj; Röm.13,11-14 der Tag aber ist genaht).

Dabei liegt die Betonung nicht auf der Frage des Termins, sondern auf der eschatologischen Bestimmtheit der Gegenwart. Paulus begreift die Eschatologie von der Christologie her und weniger in apokalyptischer Tradition als Lehre von den letzten Dingen: Paulus kann zwar seine Naherwartung mit Hilfe apokalyptischer Vorstellungen beschreiben:

Paulus macht jedoch recht sparsam von apokalyptischer Tradition Gebrauch; apokalyptische Vorstellungen werden angedeutet, um die eschatologische Hoffnung mit knappen Worten zu kennzeichnen. So genügt es Paulus zu wissen, dass einst die Seinen beim Kyrios sein werden, der dann als Herr vor aller Augen erscheinen wird. Es fehlt bei Paulus deshalb der rückwärts gewandte Blick auf den Ablauf der Geschichte der Weltreiche und der analoge Blick in die Zukunft. Jede Spekulation über kosmische Katastrophen, das Ende dieses Äons und das Heraufkommen der neuen Welt unterbleibt.

Gegen die Korinther, die die Auferstehung der Toten bestreiten, setzt Paulus beim Kerygma von Tod und Auferstehung Christi ein (und nicht bei apokalyptischen Erwartungen!): Weil Christus aus dem Tod auferweckt wurde, werden auch die, die zu ihm gehören, auferstehen (1.Kor.6,14; 1.Kor.15,20-28: weil Christus als der Erstling vom Tode auferstanden ist, werden die, die in Christus sind, bei seiner Parusie mit ihm vereinigt werden). Es erfolgt also ein Entwurf der Eschatologie von der Christologie her.

Ein weiteres Element seiner Eschatologie, die endgültige Heimholung Israels (Röm.11,25ff) ist in seiner Gotteslehre verankert (Treue Gottes). Vgl. hierzu Die paulinische Ekklesiologie.
 
 
3. Die Erwartung der Totenauferstehung

Zentrales Element der pauliischen. Zukunftserwartung ist die Totenauferstehung (1.Kor,15;35ff; 2.Kor.5,1-10). Hierbei ist zentral:

Paulus unterscheidet sich damit von verschiedenen anderen eschatologischen Erwartungen:
4. Das zukünftige Gericht nach den Werken

Wie verhält sich die Lehre von der Rechtfertigung des Sünders, der allein um Christi willen von Gottes Barmherzigkeit angenommen wird und der Gedanke vom zukünftigen Gericht nach den Werken zueinander (2.Kor.5,10; Röm.2,13; 14,10)?
Die Erwartung des zukünftigen Gerichts nach den Werken ist bei Paulus mehr als einfach nur ein traditionell mitgeschlepptes Theologumenon, das unverbunden mit der Soteriologie stünde. Denn in Röm.1,18-3,20 wird die Rede vom Gericht an zentraler Stelle der Ausführungen eingesetzt. Die paulinische Gerichtserwartung lässt sich so umreißen.

Auf diesem Hintergrund kann das Gerichtsmotiv von Paulus auch in Ermahnungen eingesetzt werden: Die Frage besteht allerdings, wie auf diesem Hintergrund Röm.2,12-16 zu verstehen ist, wo Paulus vom Gericht nach den Werken spricht, indem Menschen entweder Gottes dikaiosÚnh oder seine Ñrg» empfangen. Folgende Alternativen bieten sich an:
5. Die Dialektik von "schon jetzt" und "noch nicht"

Paulus sieht die ganze Existenz der Christen im Zeichen des Eschaton, d.h. in der Spannung zw. der bereits geschehenen Versöhnung mit Gott und der noch ausstehenden endgültigen Erlösung von der Macht der Sünde, die allerdings grundsätzlich schon gebrochen ist.

Paulus kann deshalb von gegenwärtig bereits erfahrbaren eschatologischen Heilsgütern sprechen:

Aber es gibt für Paulus auch noch eine zukünftige Dimension. Deshalb stellt er sich gegen korinthische Schwärmer, die die Erfüllung bereits als gekommen wähnen. Zukünftig erwartet er noch: Als Grundschema lässt sich festhalten, dass das eschatologische Heil bereits offenbart ist, aber es ist jetzt nur sichtbar in der Gestalt des Kreuzes, d.h. in Niedrigkeit und Schwachheit. "Das 'Zusammenwachsen' mit dem Bild des Todes Jesu ist schon gegeben, was jedoch noch aussteht, ist das 'Zusammenwachsen' mit seiner Auferstehung (Röm.6,5" (Roloff, 145).
 


Literatur: Ed.Lohse, Grundriß der neutestamentlichen Theologie, S.109-111.



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