Der Glaube (p…stij) bei Paulus
 
 
1. Zur Bedeutung des Begriffs p…stij
2. Der Glaube als Zugangsbedingung zum Heil
3. Der Glaube als Hoffnung auf die eschatologische Vollendung und als eschatologische Heilsgabe



 
1. Zur Bedeutung des Begriffs p…stij

Das griechische p…stij hat zwei Bedeutungs-Schwerpunkte:

Die p…stij ist nicht unmittelbar ein bestimmter "Seelenzustand", eine Grundhaltung oder ein irgendwie konkret zu beschreibendes Verhalten, auch keine irgendwie geartete spirituelle Erfahrung, sondern äußert sich konstitutiv im Bekennen (Ðmologe‹n). Nur für das Bekennen gilt wie für das pisteÚein, dass es Voraussetzung für das Heil ist (Röm.10,9f).
Der Inhalt des Glaubens ist für Paulus wohl so selbstverständlich, dass er zumeist einfach nur p…stij e„j 'Ihsoàn CristÒn sagt (z.B. Röm.3,22; Gal.2,16; Phil.1,29). Nur an einigen Stellen wird explizit gesagt, dass der Inhalt des Glaubens das Kerygma der Gemeinde darstellt, das seinen zentralen Inhalt im "für uns gestorben und auferstanden" hat (vgl. Röm.4,25). So zitiert Paulus z.B. eine Taufbekenntnis-Formel, die bekennt, dass Jesus der Herr ist und dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat (Röm.10,9; 1.Kor.12,3; vgl. 1.Kor.15,2ff).
 
 
2. Der Glaube als Zugangsbedingung zum Heil

Die Menschen erlangen das Heil, die dikaiosÚnh qeoà nicht ™x œrgwn nÒmou sondern ™k p…stewj 'Ihsoà Cristoà (Gal.2,16; Röm.3,20; u.v.a.m.). Aber auch andere Heilsgüter werden aufgrund des Glaubens erlangt: der verheißene Geist (Gal.3,14+22), die Gottessohnschaft (Gal.3,26), die swthr…a (Röm.1,16; 10,9f; 1.Kor.1,21); Friede und Freude (Röm.5,1; 15,13). Die p…stij ist damit Zugangsbedingung zum Heil (vgl dazu auch Das Gesetz (nÒmoj) bei Paulus).

In der Wendung "nicht ™x œrgwn nÒmou sondern ™k p…stewj" birgt einige Spannung in sich, die von Paulus nicht voll ausgezogen wird, die aber bei ihm durchaus angelegt ist: Einerseits ist die p…stij Zugangsbedingung zum Heil, andererseits kann sie aber kein œrgon sein, keine vom Menschen aufgrund eigener Willensanstrengung zu verrichtende Tat, die zu einem Verdienst vor Gott führen könnte. Diese Spannung spiegelt sich darin, dass einerseits der Glaube ein Verhalten der Menschen ist, das sie aufgrund eigener Entscheidung annehmen oder auch verweigern können (1.Kor.16,13; Röm.4,19-22; 2.Kor.5,20), dass Glaube also die gehorsame Annahme der Botschaft des Evangeliums ist (R.Bultmann; Theologie, S.315-18; vgl. Röm.1,5; 15,18; 10,16). Andererseits behauptet Paulus aber auch, dass der Glaube eine Gabe Gottes ist, die vom Geist gewirkt ist und die die Menschen empfangen (Phil.1,29; 2,13; 1.Kor.4,7; 1.Kor.12,3+9; 13,2).
Das Problem das hinter dieser Spannung steht, ist fundamental: Ist der Glaube eine freie Entscheidung des Menschen, so wird er letztlich zum Werk. Die Erfüllung des Gesetzes wird nun durch die Erfüllung der Glaubensforderung ersetzt. Wo wäre darin das grundlegend Neue? Ist der Glaube aber allein Gabe Gottes, dann wäre aufgrund der Tatsache, dass wohl nicht alle Menschen zum Glauben kommen, eine strenge Prädestinationslehre die Konsequenz. Wie kann dieses Problem gelöst werden?
Zunächst kann der Glaube v.a. unter dem Aspekt des Zum-Glauben-Kommens gesehen werden. Dass ich überhaupt zum Glauben kommen kann, ist nicht meine eigene Möglichkeit, da ich nur aufgrund der Verkündigung überhaupt an das Kerygma glauben kann. Diesen Aspekt hebt Bultmann hervor: Das Kerygma stellt mich vor die Glaubensforderung und verlangt von mir eine Entscheidung. Doch wenn ich mich für den Glauben entscheide, so verdankt sich mein Glaube nie meiner Entscheidung, sondern allein dem Kerygma, dass mir erst die Entscheidungsmöglichkeit gab (1.Kor.4,7; Röm.10,14f). "In der Ðmolog…a wendet sich der Glaubende von sich selbst weg und bekennt, dass alles, was er ist und hat, durch das ist und hat, was Gott getan hat. Der Glaube beruft sich nicht auf das, was er als Akt oder Haltung ist, sondern auf Gottes vorangegangene, ihm zuvorgekommene Gnadentat" (R.Bultmann, Theologie, S.319). So ist zwar die Glaubensentscheidung eine freie Tat des Menschen, aber nie kann sie, wo sie betrachtet wird, als Ergebnis eigener Anstrengungen verstanden werden.
Dann kann der Glaube auch unter dem Aspekt des Im-Glauben-Bleibens gesehen werden. Hier verschärft sich das Problem, weil dieses Bleiben im Glauben viel eher noch als eigenes Verdienst angesehen werden kann. Um das Problem hier zu lösen, muss der paulin. Begriff des kauc©sqai (Rühmens) betrachtet werden. Wer glaubt aufgrund seiner eigenen Werke oder auch aufgrund seines Glaubens vor Gott bestehen zu können, der rühmt sich vor Gott (und den Menschen) und errichtet seine „d…an dikaiosÚnh (Röm.10,3), der versucht letztlich das Heil ™x œrgwn zu erlangen. Doch der p…stij widerspricht solches Rühmen fundamental (Röm.3,27). Wer auf seinen Glauben schaut und meint, auf Grund seines eigenen Glaubens Gottes Heil zu erlangen, der ist bereits aus dem Glauben gefallen.
Deshalb ist die Frage, wann der Glaube ausreichend ist, für Paulus tabu. Sie ist auch nicht zu entscheiden, denn der Glaube ist verborgen im Herzen der Menschen (Röm.10,9f), erst am jüngsten Tag wird Gott das Verborgene im Menschen beurteilen (Röm.2,16). Auf diesem Hintergrund kann Paulus dazu aufrufen, seinen Glauben nicht vor sich selbst zu haben (=seinen Glauben zu betrachten), sondern ihn allein vor Gott zu haben (=ihn allein Gottes Urteil zu überlassen) und ferner seinen eigenen Glauben zwar zu prüfen, ihn aber nicht zu beurteilen (Röm.14,22). Wo andererseits der Glauben angefochten ist, weil er darum bangt, ob er ausreichend ist, kann er sich nicht auf sich selbst richten, sondern nur auf Gott, der "den Gottlosen gerecht macht" (Röm.4,5). So ist mit der Formel "nicht aufgrund der Werke (des Gesetzes), sondern aufgrund des Glaubens" das kat¦ c£rin (aufgrund der Gnade) untrennbar verbunden (Röm.4,16). Das Paradox der paulin. Rechtfertigungslehre besteht gerade darin, dass der Glaube, der die Zugangsbedingung zum Heil ist, bekennt, dass das Heil geschenkweise (Röm.3,24) empfangen wird. Das Ineinander zwischen der selbstgewirkten Tat des Menschen und Gottes Wirken kann dann nicht aufgelöst werden, will der Glaube Glaube bleiben. So ist der Glaube immer sichtbar als die eigene Tat des Menschen und doch kann er sich nie so verstehen.
 
 
3. Der Glaube als Hoffnung auf die eschatologische Vollendung und als eschatologische Heilsgabe

Die Glaubenden leben durch den Empfang der dikaiosÚnh qeoà in der von der ¡mart…a beherrschten Welt in einer eschatologischen Spannung: Auch wenn Paulus schon das Erfahrbarwerden der Endzeit in die Gegenwart verkündet, weiß er doch, dass die vollkommene Offenbarung der Heilsgaben und die Vernichtung der ¡mart…a noch ausstehen. Glaube ist damit konstitutiv Hoffnung auf die endgültige Offenbarung der Wirklichkeit Gottes (vgl. Röm.8,24; 15,13; Gal.5,5). Für Paulus leben die Glaubenden noch in der Fremde und noch nicht in der Heimat bei Gott (2.Kor.5,6f; Phil.3,20). Der Glaube des Abraham wird geradezu als par' ™lp…da ™p' ™lp…di charakterisiert (Röm.4,18). In dieser Wendung wird ganz stark deutlich, dass für Paulus Glauben nicht in einem gegenwärtigen Erleben begründet liegt, ja das Glaube geradezu gegen die Erfahrung am Kerygma festhält.
Allerdings kennt Paulus auch die Aussage, dass Glaube eine Gabe des Geistes sei (1.Kor.12,3+9). Der Glaube steht dabei neben den car…smata (1.Kor.12,4ff) und den im Geist schon anbrechenden Heilsgaben Freude, Friede und Rechtfertigung (Röm.14,17; 15,13). Paulus kennt also durchaus auch gegenwärtige Erfahrungen des Heils, die er dann als Gabe des Geistes versteht. So sind es wohl dann gerade die gemachten Erfahrungen, die es dem Glauben immer wieder ermöglichen par' ™lp…da ™p' ™lp…di auf Gott zu vertrauen.
So ist Glauben einerseits die Zugangsbedingung zu Gottes Wirklichkeit, wie durch Gottes erfahrene Wirklichkeit andererseits der Glauben gestärkt wird. Auf diesem Hintergrund dürfte auch das ™k p…stewj e„j p…stin (Röm.1,17) zu verstehen sein. Die Gewissheit des Glaubens kann also schwanken. Paulus kann der p…stij geradezu den Zweifel gegenüberstellen (Röm.14,23). Er spricht auch vom Wachsen des Glaubens (2.Kor.10,15) oder vom starken und schwachen Glauben (Röm.14,1), und es ist für Paulus durchaus denkbar, den Glauben anderer zu loben (Röm.1,8).
 


Literatur: Eigene exegetische Arbeiten von M.Kreplin (unveröffentlicht)



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