Paulinische Christologie und Soteriologie
 
 
1. Paulinische Christologie und der irdische Jesus
2. Die Aufnahme urchristlicher Tradition
3. Kreuz und Auferstehung
3.1. Tod und Auferstehung Jesu befreien vom Zorn Gottes
3.2. Tod und Auferstehung Jesu befreien von lebensfeindlichen Mächten
3.3. Tod und Auferstehung Jesu als Begründung einer neuen Gottesgemeinschaft
3.4. Konstitutive Grundstrukturen aller Deutungsmodelle
4. Die Aneignung des Heils
5. Christus als zweiter Adam



 
1. Paulinische Christologie und der irdische Jesus

Paulus ist dem irdischen Jesus wohl nie begegnet. Paulus nimmt in seiner Verkündigung Bezug auf das irdische Wirken Jesu, indem er spricht von

Die Erzähltradition und die Logienüberlieferung der Evangelien treten bei Paulus in den Hintergrund. Umstritten ist, ob Paulus die synoptische Jesus-Überlieferung
2. Die Aufnahme urchristlicher Tradition

Die paulin. Christologie ist ganz stark vom urchristlichen Christus-Kerygma geprägt. Dies zeigt sich daran, dass Paulus geprägte Formulierungen aufnimmt, so wohl in:

Dabei werden traditionelle Formeln von Paulus durch Zusätze und Kontext neu interpretiert.

Auch in der Verwendung christologischer Titel steht Paulus in der urchristlichen Tradition. Dabei stehen bei ihm folgende Titel im Vordergrund:

3. Kreuz und Auferstehung

Kreuz (staurÒj, staurÒw ) und Auferstehung (¢n£stasij; Passiv bzw. Medium von ™ge…rw) sind die zentralen Ereignisse, die im Wirken Jesu Christi bedeutsam sind. "'Christus verkündigen' ist für Paulus gleichbedeutend mit 'den Gekreuzigten verkündigen'" (Lohse, 81; vgl. 1.Kor.1,18; 2,2; Gal.3,1; Röm.14,9). Tod und Auferstehung Christi sind damit zentrale Heilsereignisse.

Die Menschwerdung hat daneben kein eigenes Gewicht, sie ist ganz auf Tod und Auferstehung hin ausgerichtet (Phil.2,6ff). Tod und Auferstehung sind nicht isoliert miteinander zu betrachten, sie bilden einen Gesamtzusammenhang, für den auch ein einziges Ereignis stehen kann.

Wie werden nun Tod und Auferstehung interpretiert, so dass sie als das zentrale Heilsereignis verstanden werden können? Hierzu verwendet Paulus mehrere Deutungsmodelle:
 
 
3.1. Tod und Auferstehung Jesu befreien vom Zorn Gottes 

Jesus Christus befreit uns von der Verurteilung im eschatologischen Gericht, der Ñrg» qeoà. Jesu Tod und Auferstehung bewirken damit Rechtfertigung im Gericht. Diese Vorstellung liegt überall vor, wo forensischer Sprachgebrauch begegnet (z.B. dika…wsin, Röm.4,25), oder wo von der Befreiung von den Sünden (Plural ¡mart…ai) gesprochen wird (z.B. 1.Kor.15,3+17; Gal.1,4). Das Unheil, von dem Christus befreit, ist die bereits jetzt geschehende und die noch drohende Strafe für die begangenen Tatsünden. Wie diese Befreiung im eschatolog. Gericht durch Jesu Tod und Auferstehung vollzogen wird, erklären verschiedene Metaphern:

Wie innerhalb dieser Deutungsmodelle der Kreuzestod Jesu dem stellvertretenden Erleiden von Gottes Ñrg» entspricht, so steht die Auferstehung für die Gerechtsprechung (Röm.4,25; doch nicht an allen Stellen explizit zum Ausdruck gebracht). Hier wird Stellvertretung exklusiv gedacht: Jesus erleidet die Ñrg» qeoà, damit wir sie nicht erleiden müssen. "Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass nur dieser eine jene Tat vollbringen konnte, weil er im Gegensatz zu allen anderen der Gehorsame war, und dass nur er sie zu tun brauchte, weil sie ein für allemal gilt" (Roloff, 191). Die Befreiung von der Ñrg» qeoà hat eine gegenwärtige (Röm.3,21) und eine futurische (Röm.5,9f; 1.Th.5,9f) Dimension.
 
 
3.2. Tod und Auferstehung Jesu befreien von lebensfeindlichen Mächten 

Jesu Tod bewirkt die Befreiung von lebensfeindlichen Mächten. Je nach Kontext hat Paulus verschiedene solcher lebensfeindlicher Mächte im Sinn. Entsprechend gibt es verschiedene Vorstellungen.

Beide soteriologischen Modelle sind eng miteinander verwandt: Es geht jeweils um die Befreiung von einer lebensfeindlichen Macht. In Gal. wird das Gesetz noch ungebrochen als eine lebensfeindliche Macht verstanden. Im Röm. dagegen hat das Gesetz durchaus auch positive Funktionen, nur wirkt es lebensfeindlich, solange es noch von der Sünde missbraucht wird (vgl. -> Das Gesetz bei Paulus). Wo aber die Sündenmacht besiegt ist, kann auch die Forderung des Gesetzes erfüllt werden (Röm.8,4).
Das Sterben hat innerhalb dieser verschiedenen Befreiungsbilder verschiedene Funktionen:
3.3. Tod und Auferstehung Jesu als Begründung einer neuen Gottesgemeinschaft

Jesu Tod und Auferstehung werden auch als Begründung einer neuen Gottesgemeinschaft verstanden. Dies zeigt sich in folgenden Vorstellungen:

3.4. Konstitutive Grundstrukturen aller Deutungsmodelle

Die Deutungsmodelle verbinden konstitutive Grundstrukturen:

4. Die Aneignung des Heils

Wie wird das durch Christus bewirkte Heil persönlich angeeignet?

5. Christus als zweiter Adam

Um die Bedeutung Christi zu beschreiben, verwendet Paulus auch die Gegenüberstellung Adam-Christus (1.Kor.15,20-22; Röm.5,12-21 -> Adam-Christus-Typologie). Dabei wird einander gegenübergestellt:
 
Adam
Christus
Entsprechung
Durch Adams Übertretung kam die Sünde 
und damit der Tod zu allen Menschen
Durch Christi Gehorsam kommt 
die Auferstehung und das Leben
Überbietung
Das Resultat war der Tod
Das Resulat war überreiche Gnade und Leben
Eine einzige Übertretung bringt den Tod für alle
Viele Übertretungen werden aufgehoben

Dennoch gibt es auch eine Einschränkung: Während "der Tod alle Menschen ereilt, ohne dass sie ihm entrinnen können, geht von Christi Tat keine naturhafte, unwiderstehliche Wirkung aus" (Lohse, 83). Während der Tod jetziges sichtbares Schicksal aller Menschen ist, wird die Auferstehung als zukünftiges Schicksal geglaubt.
 


Literatur: R.Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, S.292ff; Ed.Lohse, Grundriß der neutestamentlichen Theologie, S.79-83;  J.Roloff, Neues Testament, S.190-192.



Copyright: Matthias Kreplin, 2000