Die johanneische
Ekklesiologie
1.
Der Paraklet vermittelt nachösterlich die Präsenz Jesu
Christi |
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Die johann. Ekklesiologie ist gekennzeichnet durch die
Kontinuität zwischen dem vorösterlichen Jesus
und der nachösterlichen Gemeinde. Diese Kontinuität
stiftet der Geist (Paraklet), den die nachösterliche
Gemeinde empfängt. Diese Kontinuität wird
folgendermaßen deutlich:
- Die Verheißung
des Geistes in den Abschiedsreden geschieht derart, dass vom
Wiedersehen Jesu mit den Jüngern die Rede ist (14,14-28;
16,16-22). Dabei wird nicht zw. Ostern, Pfingsten und Parusie
unterschieden. Alles fällt in der Geistgabe zusammen. Damit
wird der Geist aber nachösterlicher Vertreter Jesu
Christi.
- Der Geist wird ausdrücklich als der andere
Paraklet bezeichnet (14,16; vgl. 1.Joh.2,1 wo Jesus als der
erste Paraklet bezeichnet wird). Jesus schickt ihn (16,7).
- Der Paraklet erfüllt weitgehend dieselben
Funktionen wie der irdische Jesus bei Joh.:
- Er lehrt und erinnert an die Taten Jesu (14,26).
- Er zeugt von Jesus (15,26)
- Wie Jesus verkündigt er, was er (beim Vater) hört
(16,13).
- Wie Jesus, so ist auch er vom Vater gesandt (14,16+26;
15,26).
- Auch den Geist kann der Kosmos nicht erkennen (14,17).
- Wie Jesu Lehre nicht von ihm selbst, sondern von Gott ist,
so auch die des Geistes (7,16f; 12,49; 14,24 - 16,13).
- Wie Jesus die Wahrheit ist (14,6) und für die Wahrheit
Zeugnis ablegt (18,37), so lehrt der Paraklet die Wahrheit und
führt in die Wahrheit (14,26; 16,13).
- Wie Jesus die Welt der Sünde überführt
(3,20; 7,7; u.a.), so auch der Geist (16,8).
- "Dieses Leiten durch den Geist ist aber nicht so zu
verstehen, als würde zu neuer Wahrheit und neuen Inhalten
geführt. Sondern der Geist weist in alle Wahrheit, indem er
immer tiefer verstehen lehrt, dass Jesus Weg, Wahrheit und Leben
ist" (Ed. Lohse, 139f).
Der Paraklet kommt ferner als
Beistand für die Jünger. Damit wird die
urchristl. Überlieferung aufgenommen, dass der Geist den
Jüngern beistehen wird, z.B. wenn sie in Verfolgung vor
Gericht stehen (Mk.13,11par). Diese Zusage wurde verbunden mit
jüdischen Vorstellungen vom Geist der Wahrheit als
Fürsprecher und eschatologischer Beistand der Gemeinde
(Qumran).
Der Geist ist niemals Besitz der Gemeinde (3,8).
Jedoch ist die Front des Joh. nicht eine selbstsichere und satte
Kirche, der die Unverfügbarkeit des Geistes vorgehalten
werden muss, sondern eher eine verängstigte Gemeinde.
Die Gemeinde, die so mit dem Geist begabt ist, nimmt die
Stellung Jesu in der Welt ein. Die Übernahme der Stellung
Jesu in der Welt führt auch dazu, wie Jesus dem Hass
der Welt ausgesetzt zu sein (15,18f; 17,14). Für die
johann. Gemeinde war dies wohl konkret in der Auseinandersetzung
mit dem Judentum erfahrbar.
2. Keine festen
Institutionen |
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Der Beschränkung auf das Liebesgebot (vgl. Die johanneische Ethik)entspricht der
Verzicht auf eine explizite Ekklesiologie der
Institutionen. Bei Joh. ist weder von Gemeinde (™kklhs…a), noch Ämtern und
Amtsträgern die Rede. Es fehlen aber auch die übrigen
urchristlichen Prädikate, die die Gemeinde als die
Heiligen, als das wahre Gottesvolk usw. bezeichnen. Die zu Jesus
gehören werden als maqhta…
(13,35; 15,8; u.a.) und als f…loi
(15,13-15) bezeichnet. Sie bilden mit dem Erhöhten eine
Liebesgemeinschaft. Die einzige weitere ethische
Anweisung, die sich bei Joh. noch finden lässt, geschieht
im Zshg. mit der Fußwaschung und ist äußerst
hierarchiekritisch: Dient einander, wie Jesus euch
gedient hat (13,14). Entscheidend für die Gemeinde ist die
dadurch entstehende Einheit (17,21), die wie auch die
Liebe, die Einheit zw. Vater und Sohn abbildet.
3. Zurücktreten der
Sakramente |
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Im Joh. ist das Zurücktreten der Sakramente zu
beobachten:
- Die Taufe wird nur bei Joh.
erwähnt (4,2 wird explizit festgehalten, dass nur die
Jünger, nicht aber Jesus getauft habe). Die Formulierung
"aus Wasser und Geist geboren werden" (3,5) könnte
dahingehend auf einen Redaktor zurückgehen.
- Auch das Abendmahl wird nicht explizit erwähnt.
An seiner Stelle wird im Rahmen der Passionsgeschichte von einer
Fußwaschung berichtet (13,1-20). Die Deutung der
Brotrede hin auf das Abendmahl (6,51-58) dürfte auch
sekundär sein; sie ändert deutlich die Pointe der
Aussage, dass Jesus das Brot des Lebens sei.
Dennoch
gibt es bei Joh. nirgends eine explizite Polemik gegen die
Sakramente. Sie werden also als selbstverständlich
vorausgesetzt. Obwohl die Sakramente zurücktreten,
ist es dennoch fraglich, ob von einer "Konzentration auf das
Wort" (Lohse, 142) gesprochen werden kann. Eine solche Wendung
kann legitim nur meinen, dass bei Joh. die Frage des erkennenden
Glaubens im Vordergrund steht, nicht aber die einer mystischen
oder gar ekstatischen Vereinigung mit Gott.
Literatur: Ed. Lohse, Grundriß der
neutestamentlichen Theologie, S.138-142; Kl. Wengst, Bedrängte Gemeinde
und verherrlichter Christus
Copyright: Matthias Kreplin, 2000