Die Abfassung des Johannes-Evangeliums
 
 
1. Der Verfasser
2. Abfassungsort
3. Abfassungszeit
4. Abfassungsanlass und Grundintention


Für die Entstehung des Joh. ist mit der Wirksamkeit einer theologischen Schule zu rechnen (siehe Zur Geschichte und Situation der johanneischen Schule). Auf diesem Hintergrund sind folgende Fragen zur Abfassung des Joh. zu klären:
 
 
1. Der Verfasser

Die Verfasserfrage stellt die sogenannte alte johanneische Frage dar. Lange wurde versucht, den Verfasser als Augenzeuge Jesu zu erweisen, und damit die Legitimität seiner Theologie zu begründen. Nach altkirchlicher Tradition (Irenäus) ist der Zebedaide Johannes der Autor des JohEv. Er habe sein Evangelium in hohem Alter in Ephesus geschrieben. Doch dagegen spricht:

L.Schenke rechnet damit, dass das JohEv. aus einer Grundschrift des Lieblingsjüngers entstanden sei. Dieser sei ursprünglich Johannes-Jünger gewesen (1,35ff), gehörte von Anfang an zu den Jüngern Jesu, nicht aber zum Zwölferkreis. Seine Schrift sei später von einem Schüler bearbeitet worden. Der Lieblingsjünger (oder sein Schüler?) sei evt. mit dem Presbyter von 2.Joh und 3.Joh zu identifizieren. Gegen diese Theorie spricht jedoch: Fazit: Der Autor (bzw. die Autoren, wenn mit mehreren Bearbeitern gerechnet wird) ist nicht identifizierbar und dem Namen nach unbekannt. Dennoch dürfte er eine hohe Autorität innerhalb der johann. Schule besessen haben.
 
 
2. Abfassungsort

Die von Irenäus abstammende Tradition spricht von einer Entstehung in Ephesus. Nur Ephraim der Syrer nennt Antiochien (dies allerdings wohl, um seiner Heimatstadt eine glorreiche Vergangenheit zu beschaffen). Für eine Abfassung in Ephesus spricht, dass es im Joh. einige Beziehungen mit dieser Stadt gibt:

Daraus lässt sich schließen, dass es Beziehungen zwischen dem johann. Kreis und Ephesus gegeben haben könnte.

Allerdings spricht folgendes gegen eine Lokalisierung des johann. Gemeindeverbandes nach Kleinasien:

Gegen eine Lokalisierung in Palästina spricht: Wahrscheinlich ist eine Lokalisierung in Syrien. Dafür spricht: K.Wengst schlägt über die allgemeine These Syrien eine genauere Lokalisierung in die süd-westlichen Teile des Königreichs von Agrippa II. vor (Gaulanitis; Betanäa). Dafür sprechen folgende Beobachtungen, die alle in diesem Gebiet erfüllt sind: L.Schenke versucht die Lokalisierung in der Gaulanitis und in Betanäa mit der Verbindung zu Ephesus zu vereinbaren, indem er annimmt, dass die johanneische Schule zunächst in Südwest-Syrien lebte und dort auch ihre eigenständige Theologie entwickelte, durch die dortige Verfolgung durch die Juden aber zur Flucht nach Kleinasien gezwungen wurden. Dort hätten sich dann Vertreter der johanneischen Schule in Ephesus niedergelassen.
 
 
3. Abfassungszeit

Der terminus a quo ist der Synagogenausschluss um 80 nChr. (Wengst) oder 85 nChr. (Thyen). 12,42 spricht dafür, dass er noch nicht vollzogen ist, da hier noch von heimlichen Sympathisanten innerhalb der Synagoge gesprochen wird (so Wengst). Allerdings bahnt er sich an (16,2), oder liegt sogar um einige Zeit zurück (9,22). Für letzteres spricht auch die distanzierte Rede von "eurem Gesetz" (8,17; 10,34).
Der terminus ad quem ist der Papyrus P52. Er gehört nach Ägypten und ist zeitlich um 120 nChr. anzusetzen. Wo von der Lokalisierung von Wengst ausgegangen wird, ist der Tod Agrippas (zw. 92 und 96) terminus ad quem, da nach Agrippa das Judentum nicht mehr seine Stellung im Staat behielt.

So ergibt sich eine Entstehungszeit zw. 90 und 100 nChr. (Wengst: zw. 80 und 90). Seit 92 nChr. wird die verschärfte Religionspolitik Domitians auch die johann. Gemeinden getroffen und sie zum Kaiserkult gezwungen haben (1.Joh.5,21?). Dem entspricht die Situation des Bekennens und nicht Verleugnens (1,20).
 
 
4. Abfassungsanlass und Grundintention

Hier werden verschiedene Konflikte angenommen, aus denen heraus Joh. zu verstehen ist:



Literatur: J.Becker, ÖTK 4/1, S.40-51,56; Kl. Wengst, Bedrängte Gemeinde und verherrlichter Christus; H.Thyen, TRE-Art. Johannesevangelium; L.Schenke, Das Johannesevangelium, S.106-132



Copyright: Matthias Kreplin, 2000