Das paulinische Verständnis des Herrenmahls
 
 
1. Die Zuspitzung des paulinischen Verständnisses des Herrenmahls in der Auseinandersetzung mit den Korinthern
2. Interpretation der Überlieferung durch Paulus



 
1. Die Zuspitzung des paulinischen Verständnisses des Herrenmahls in der Auseinandersetzung mit den Korinthern

Paulus expliziert sein Abendmahlsverständnis in der Auseinandersetzung mit den Korinthern. Dort herrschte wohl ein enthusiastischer und individualistischer Sakramentalismus, der sich auf die Überzeugung gründete, die Gegenwart des Heils bereits greifbar zu haben und im unverlierbaren Besitz der Geisteskräfte zu sein. Diese Haltung, die Paulus mit Aufgeblasen-Sein beschreibt (1.Kor. 4,6+18f; 8,1), äußert sich beim Herrenmahl v.a. "darin, dass man Gemeindeglieder, die später zum Herrenmahl kamen und nichts mitbringen konnten, leer ausgehen ließ, weil man im Rausch der eigenen Begeisterung nicht auf sie achtete" (Lohse, 108). Paulus fordert in dieser Situation die Trennung von Sättigungsmahl und Herrenmahl (1.Kor.11,33f).

Der tiefere Hintergrund zw. dem Inhalt des Herrenmahls und seiner Form lässt sich aus 1.Kor.10,16f erkennen; dort heißt es: "Der Kelch der Danksagung... ist er nicht Gemeinschaft mit dem Blut Christi? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht Gemeinschaft mit dem Leib Christi? Weil es ein Brot ist, sind wir, die vielen, ein Leib; denn wir sind alle des einen Brotes teilhaftig geworden." Die beiden parallelen Sätze über Blut und Leib sind so angeführt, dass die Aussage über Brot und Leib an zweiter Stelle steht, um eine Erklärung anfügen zu können (wir sind teilhaftig geworden). Die Bedeutung des Begriffes sîma wechselt hier von der Christologie zur Ekklesiologie: Alle, die beim Herrenmahl das Brot empfangen und damit an Christi Leib Anteil bekommen, der für uns in den Tod gegeben ist, sind der Leib Christi, und darum als Glieder untereinander verbunden. Weil das Abendmahl so keine individuelle Heilszueignung sondern Anteilhabe am Leib Christi bedeutet, deshalb muss es auch so gefeiert werden, dass die Feier dieser Anteilhabe entspricht. Die Feier muss also die Gemeinschaft stärken und darf sie nicht gefährden. In diesem Sinne ist auch das ¢nax…wj in 1.Kor.11,27 ("wer in unwürdiger Weise das Brot ist oder den Kelch des Herrn trinkt, wird am Leib und am Blut des Herrn schuldig werden") zu verstehen. ¢nax…wj bezeichnet die unangemessene Feier, die nach 11,29 dann eintritt, wenn einer isst und trinkt m¾ diakr…nwn (=würdigen, unterscheiden) tÕ sîma. Das aber würde geschehen, wenn er nicht begreift, dass alle, die am Leib Christi teilhaben, ein Leib sind und daher füreinander verantwortlich sind (11.29-34).
 
 
2. Interpretation der Überlieferung durch Paulus

Die Feier des Herrenmahls hat sich an den überlieferten Abendmahlsworten auszurichten (1.Kor.11,23-25). Doch auch hier setzt Paulus eigene Akzente:

Paulus kennt noch keinen Sakramentsbegriff, unter dem Taufe und Abendmahl zusammengefaßt wären. An einer Stelle bringt er sie aber in eine unmittelbare Verbindung: 1.Kor.10,2-4 stellt eine (allegorische) Rückprojektion von Taufe und Abendmahl in die Geschichte Israels dar ("Wurden alle auf Mose getauft in der Wolke und im Meer. Und alle aßen einerlei geistliche Speise, und alle tranken einerlei geistlichen Trank. Denn sie tranken aus dem geistlichen Felsen, der ihnen folgte, der Fels aber war Christus").
 


Literatur: Ed.Lohse, Grundriß der neutestamentlichen Theologie, S.108f.



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