Die Entwicklung kirchlicher Ämter
 
 
1. Gründe für Herausbildung fester Ämter
2. Zur Terminologie
3. Jesus und der vorösterliche Jüngerkreis
4. Die Jerusalemer Urgemeinde
5. Antiochia und der syrisch-palästinische Raum
6. Der theologische Beitrag des Paulus
7. Die paulinischen Gemeinden
8. Die nachpaulinische Entwicklung
9. Die Amtskonzeption der ausgehenden apostolischen Zeit



 
1. Gründe für Herausbildung fester Ämter

In dem Maße, in dem die Kirche sich als eigenständige gesellschaftliche Größe begreifen lernte und eigene Lebensformen ausbildete, wuchs die Notwendigkeit der Schaffung institutioneller Faktoren. Verfassungsstrukturen bildeten sich aus, Dienste und Funktionen wurden an bestimmte Personen in der Gemeinde fest gebunden. Diese Entwicklung verlief relativ zögerlich. Einer der ersten Auslöser war die Trennung der Kirche vom Judentum. Weiteren Schwung in die gleiche Richtung brachte das Zurücktreten der Naherwartung und das Abtreten der prägenden Gestalten der ersten Generation. Dem entspricht die Beobachtung, dass es Ansätze zu einer theologischen Theoriebildung über die kirchlichen Ämter erst in der nachpaulinischen Zeit (Pastoralbriefe; 1.Clem.) gibt.
 
 
2. Zur Terminologie

3. Jesus und der vorösterliche Jüngerkreis

Jesus hat keine Kirche gegründet und auch keine Amtsträger eingesetzt. Er hat jedoch Impulse gegeben, indem er zur Nachfolge aufrief, eine Jüngergemeinschaft begründete und zum Dienen aufforderte. Der Ruf in die Nachfolge traf im Gegensatz zur Aufforderung zur Umkehr nur ausgewählte einzelne (-> Aufgabe des bisherigen Berufes Mk.1,18; 2,14; Trennung von der Familie Mt.8,19-22; Teilnahme an Jesu Wanderleben Mt.8,20). Der in der Forschung vielfach gezogene Analogieschluss zum Lehrer-Schüler-Verhältnis der jüdischen Schriftgelehrten ist unzutreffend, auch wenn richtig ist, dass Jesus bei seinen Zeitgenossen offensichtlich als Lehrer galt (Mk.7,6f.):

Die Jesusjüngerschaft entspricht eher prophetisch-charismatischen Bewegungen (1.Kön.19,19-21), die zu Jesu Zeit eine neue Blüte erlebten.
Unter den Jüngern treten besondere Gruppen hervor: Das Neue an Jesu Jüngerkreis war nicht die Organisationsform sondern sein Selbstverständnis: Jesus unterstellte den Jüngerkreis dem Prinzip des Dienens (Mk.10,42ff; Lk.22,27) - ganz im Gegensatz zu sonstiger menschlicher Macht- und Ordnungsstruktur.
 
 
4. Die Jerusalemer Urgemeinde

Innerhalb der Jerusalemer Urgemeinde lassen sich folgende Leitungsämter erkennen:

5. Antiochia und der syrisch-palästinische Raum

In der antiochenischen Gemeinde und ihrem Umfeld bildete sich eine prophetisch-charismatische Ordnung aus (als Quellen werden Act., Mt. und Didache genannt). Act.13,1-3 nennt als Gemeindeleiter eine Gruppe von Propheten und Lehrer; Act.14,4.14 nennt Paulus und Barnabas in ihrer Eigenschaft als vom Geist bevollmächtigte Wandermissionare Apostel. Paulus hat erst später (Gal.2,8) dieses charismatische Wanderapostolat (Abgesandte der Gemeinde) vom Jerusalemer Christusapostolat (Abgesandte Christi; vgl. oben) her neu interpretiert. Das paulinische Apostolat bleibt aber von dem Wanderapostolat beeinflusst: Wahrung der Freizügigkeit unter Ablehnung einer festen Bindung an eine Ortsgemeinde (1.Kor.1,17; 3,10) und Beibehaltung des Unterhaltsverzichts im Gegensatz zu den Jerusalemer Aposteln (1.Kor.9,3f.). Diese charismatische Ordnung hat sich in ländlichen Gebieten bis ins 2.Jhdt hinein erhalten. So ist der Didache ein gutes Bild von wandernden Aposteln, Propheten und Lehrern zu entnehmen, deren Amtsbezeichnung und Funktion sich noch nicht voneinander abgrenzen lassen (Did.11,3-6; auch Mt. spiegelt diese Ordnung wider).
 
 
6. Der theologische Beitrag des Paulus

Paulus schuf keine grundsätzliche Gemeindeordnung sondern ging recht pragmatisch vor und überließ vieles der Improvisation. Sein Beitrag liegt im Theologisch-Grundsätzlichen:

7. Die paulinischen Gemeinden

Die Liste der Charismen in 1.Kor.12,28-31 stellt als besondere Gruppe drei personengebundene Dienste voran: Apostel, Propheten und Lehrer. Dann folgen die unpersönlich gehaltenen weiteren Funktionen. Daraus eine prinzipielle Unterscheidung zwischen übergemeindlich-charismatischen Ämtern und lokal-administrativen Diensten abzuleiten (so A.Harnack) ist jedoch verfehlt, da bei Paulus lediglich das traditionelle Gewicht der Wandercharismatiker zum Ausdruck kommt; so soll nach 1.Kor.14,31 sich die Prophetie vom einzelnen Propheten lösen und auf alle Gemeindeglieder übergehen (über das Lehren vgl. Röm.12,7). Lediglich der Apostel hat eine übergemeindliche Sonderstellung inne.
Die Dienste von Gemeindeleitung und -verwaltung haben sich zunächst aus aktuellem Bedürfnis entwickelt. 1.Kor.16,15f. nennt Stephanas, der sich zum "Dienst an den Heiligen" zur Verfügung stellt. Diesen Dienern soll sich die Gemeinde unterordnen. Seine Aufgaben sind: Schlichtung von Streitigkeiten (1.Kor.6,1), Eingreifen bei elementaren Verstöen gegen die christl. Lebensregeln (1.Kor.5). proist£menoi (Vorsteher) werden diese Diener an der Gemeinde genannt (1.Th.5,12ff.). Ein festes Amt ist es hier noch nicht.
Auf Dauer musste darauf geachtet werden, dass bestimmte Dienste regelmäßig wahrgenommen wurden. Man konnte nicht darauf warten, dass mal wieder ein Charisma ausbrach, das eine eben anstehende Aufgabe bewältigte. Diese Phase der Entwicklung zeigt sich im Phil., wo in 1,1 ™p…skopoi und di£konoi genannt werden. ™p…skopoj bezeichnet im Profangriechisch den Aufseher oder Gemeindebeamten, stammt also aus der Verwaltungssprache. Dieses Wort wurde zur festen Amtsbezeichnung für die Träger der ¢ntil»myeij (Hilfeleistungen), kubern»seij (Leitungsdienste) und proist£menoi (Vorsteher).
Aufgaben der ™p…skopoi: Administration, Wahrung gemeindlicher Ordnung, Leitung der Mahlversammlung. Wie die Vorgeschichte des Diakonenamtes nahelegt (di£konoj bedeutet ursprünglich Tischdiener), ist es wohl aus einer Funktion beim Gemeindemahl entstanden. Nach Röm.16,1 hatten die di£konoi insbesondere karitative Aufgaben.
 
 
8. Die nachpaulinische Entwicklung

Älteste und Episkopen - In der Zeit nach Paulus verschmolz die paulinische Episkopenverfassung mit der palästinischen Ältestenverfassung. Dies war möglich, weil sich beide Verfassungen in ihrem äueren Erscheinungsbild einander angepasst hatten: bei beiden Leitungsgremien, wobei bei den Ältesten lediglich das patriarchalische Element und bei den Episkopen das charismatische Element stärker betont wurde.

Ordination - Der öffentliche Einführungsakt der Ordination als äußere Legitimation des Amtes tritt erstmals in den Pastoralbriefen auf (1.Tim.4,14; 2.Tim.1,6). Religionsgeschichtliches Modell ist die Ordination der jüdischen Schriftgelehrten. Die Ordinationshandlung bestand aus 3 Teilen: Sinn der Ordination: Öffentliche Übertragung des zum Dienst an der Gemeinde befähigenden und verpflichtenden Amtsauftrags. -> streng gemeindeorientierter Auftrag. Ordinationsparänese: 1.Tim.6,11-16 Der Ordinierte ist an seinen Auftrag gebunden; die Amtsgabe wirkt nicht aus sich selbst, sondern nur wenn sie bejaht wird; Eifer und Einsatz ist verlangt; dazu bedarf es der ständigen Erinnerung an die Ordination; der Ordinierte untersteht der Norm der rechten Lehre; ihrer Kontinuität gegenüber muss er sich in seiner Kontinuität bewähren.
 
 
9. Die Amtskonzeption der ausgehenden apostolischen Zeit

Drei Konzeptionen treten um die Jahrhundertwende hervor, von denen jede eine weitreichende Wirkungsgeschichte hatte:



Literatur:  J.Roloff, NT, S.62-76.



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