Die Entwicklung kirchlicher Ämter
| 1. Gründe für Herausbildung
fester Ämter |
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In dem Maße, in dem die Kirche sich als eigenständige gesellschaftliche
Größe begreifen lernte und eigene Lebensformen ausbildete, wuchs
die Notwendigkeit der Schaffung institutioneller Faktoren. Verfassungsstrukturen
bildeten sich aus, Dienste und Funktionen wurden an bestimmte Personen
in der Gemeinde fest gebunden. Diese Entwicklung verlief relativ zögerlich.
Einer der ersten Auslöser war die Trennung der Kirche vom Judentum.
Weiteren Schwung in die gleiche Richtung brachte das Zurücktreten
der Naherwartung und das Abtreten der prägenden Gestalten der
ersten Generation. Dem entspricht die Beobachtung, dass es Ansätze
zu einer theologischen Theoriebildung über die kirchlichen Ämter
erst in der nachpaulinischen Zeit (Pastoralbriefe; 1.Clem.) gibt.
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Heutiger Gebrauch: Amt = eine rechtlich eindeutig festgelegte und gesellschaftlich
anerkannte Führungsstelle, die im Namen einer bestimmten Institution
Hoheitsrechte
ausübt und dazu bestimmte Machtmittel zur Verfügung stehen.
-> äquivalente griechische Begriffe sind
¢rc»
(Amt), tim» (Stellung), tšloj
(Spitze) und leitourg…a (dienstliche Verrichtung).
-> Dies Begriffe werden im NT ebensowenig zur Beschreibung von Ordnungs
und Leitungsfunktionen herangezogen wie kultische Begriffe (-> ƒer£teuma,
ƒereÚj = Priesterschaft, Priester).
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NT: Der einzige generelle Begriff, den das NT in diesem Bereich kennt ist
diakon…a
(Dienst). Die inhaltliche Füllung dieses Begriffes ist jedoch eine
andere. Der Begriff diakon…a ist terminologisch
weitgehend offen, was auch für die Bezeichnung von kirchlichen Funktionsträgern
zutrifft (¢pÒstoloj, ™p…skopoj [Aufseher],
di£konoj).
=> Sachgemäßer ist also die Verwendung des Begriffes Dienst.
Es ist jedoch zu beachten, da der Begriff Amt sich als theologischer Fachterminus
für die verschiedenen personengebundenen Dienste und Funktionen zur
Sammlung und Erhaltung der Gemeinde eingebürgert hat.
| 3. Jesus und der vorösterliche
Jüngerkreis |
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Jesus hat keine Kirche gegründet und auch keine Amtsträger
eingesetzt. Er hat jedoch Impulse gegeben, indem er zur Nachfolge
aufrief, eine Jüngergemeinschaft begründete und zum Dienen
aufforderte. Der Ruf in die Nachfolge traf im Gegensatz zur Aufforderung
zur Umkehr nur ausgewählte einzelne (-> Aufgabe des bisherigen Berufes
Mk.1,18; 2,14; Trennung von der Familie Mt.8,19-22; Teilnahme an Jesu Wanderleben
Mt.8,20). Der in der Forschung vielfach gezogene Analogieschluss zum Lehrer-Schüler-Verhältnis
der jüdischen Schriftgelehrten ist unzutreffend, auch wenn richtig
ist, dass Jesus bei seinen Zeitgenossen offensichtlich als Lehrer galt
(Mk.7,6f.):
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Jesus hatte kein Lehrhaus, in dem er seine Auslegung der Tora weitergab,
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noch gab es für seine Jünger das Ziel, selbst Lehrer zu werden
(Mt.23,8).
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Ferner kamen die Jünger nicht allein auf eigenen Antrieb, sondern
wurden von Jesus gerufen.
Die Jesusjüngerschaft entspricht eher prophetisch-charismatischen
Bewegungen (1.Kön.19,19-21), die zu Jesu Zeit eine neue Blüte
erlebten.
Unter den Jüngern treten besondere Gruppen hervor:
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So wird mehrfach die Dreiergruppe Petrus-Jakobus-Johannes hervorgehoben
(vgl. Mk. 1,16-19par; 1,29par; 3,16fpar; 5,37par; 9,2par; 13,3par; 14,33par).
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Desweiteren wird häufig die Zwölfzahl der Jünger
genannt -> Symbol für das Gottesvolk in seiner ursprünglichen
Ganzheit. Die Zwölf repräsentierten den Anspruch Jesu auf ganz
Israel und sollten Zeichen sein für die in seinem Wirken geschehende
Erneuerung des Gottesvolkes (Mt.19,28; vgl. Apk.21,12-14) Vielhauer u.a.
bestreiten die Existenz eines Zwölferkreises vor Ostern und stellen
die entsprechenden Stellen als Rückprojektion hin (-> bei Mk. sind
fast alle Belegstellen redaktionell; in Q nur in Mt.19,28 erwähnt).
Für die Geschichtlichkeit spricht, dass der Verräter Judas in
der ältesten Schicht des Passionsberichtes als einer der Zwölf
erscheint (Mk.14,10+20+43).
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Unwahrscheinlich ist hingegen, dass Petrus schon vor Ostern eine
Sonderstellung hatte. -> Mt.16,17-19 eine sekundäre Verbindung von
Mk.8,27-33 (Petrusbekenntnis) mit Mk.3,16b (Petrusnamentradition).
Das Neue an Jesu Jüngerkreis war nicht die Organisationsform sondern
sein Selbstverständnis: Jesus unterstellte den Jüngerkreis
dem Prinzip des Dienens (Mk.10,42ff; Lk.22,27) - ganz im Gegensatz
zu sonstiger menschlicher Macht- und Ordnungsstruktur.
| 4. Die Jerusalemer Urgemeinde |
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Innerhalb der Jerusalemer Urgemeinde lassen sich folgende Leitungsämter
erkennen:
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Die Zwölf - Das älteste Leitungsgremium der Jerusalemer
Gemeinde war der Zwölferkreis (Act.1-6; 1.Kor.15,5), in dem Petrus
als primus inter pares, wohl die Leitung innehatte. "Diese Zwölf erscheinen
(...) als Träger der Mission und der Lehre in der Gemeinde,
sowie als Leiter des Gottesdienstes (6,4) und zunächst auch
der Gemeindeorganisation (6,1ff). Es ist aber zu fragen, ob dieses
Bild den tatsächlichen historischen Gegebenheiten entspricht" (Conzelm./Lindem.,
424f). Mission außerhalb Jerusalems wird nur von Petrus berichtet;
an seiner Seite steht gelegentlich wie ein Schatten Johannes. Noch weniger
zu fassen ist die bei den Synoptikern hervorgehobene Dreiergruppe Petrus,
und die Zebedaiden Johannes und Jakobus. Da die Gemeinde sich am Anfang
als Ausgangspunkt des neuen, endzeitlichen Israels verstand, wird der Kreis
der Zwölf zunächst als Symbol des Anspruchs Jesu auf ganz
Israel gegolten haben (Mt.19,28). Dem entspricht die Nachwahl des Matthias
(Act.1,15-26). Der Zwölferkreis wurde wohl nach Tod (um 44 nChr. Martyrium
d. Zebedaiden Jakobus - Act.12,2) eines seiner Glieder bzw. nach deren
Weggang aus Jerusalem zu Missions-Zwecken oder um zu fliehen nicht ergänzt
und trat in den Hintergrund.
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Die Apostel - Je weiter die Gemeinde sich von Tempel und Synagoge
entfernte, desto mehr bedurfte sie konkreter eigener Organisationsstrukturen.
Paulus fand bei seiner ersten Jerusalemreise (ca.35/36) die Zwölf
als Leitungsgremium nicht mehr vor; er verhandelt mit Kephas als mageblichem
Mann; ihn und Jakobus bezeichnet er als Apostel (Gal.1,19). Die Gruppe
der Apostel gründet sich in der Berufung und Sendung durch den
Auferstandenen (1.Kor.9,1;15,7). Wer zu dem ältesten Jerusalemer
Apostelkreis gehörte lässt sich nicht genau ausmachen: Petrus,
die Zwölf, Barnabas (1.Kor.9,6), Jakobus (1.Kor.15,7; Gal.1,19), Andronikus
und Junias (Röm.16,7). Nach 1.Kor.15,8 war die Gruppe mit dem Ende
der Ostererscheinungen abgeschlossen. [Hier ist zu erwähnen, dass
es im NT verschiedene Bestimmungen des Begriffs ¢pÒstoloj
gibt:
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Paulus zunächst: Wanderprediger, die Christus verkünden, als
Abgesandte der Gemeinde (2.Kor.8,23; Ph.2,25).
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Dann: Augenzeugen der Auferstehung Christi, Abgesandter Christi (Röm.11+6;
1.Kor.9,1; 15,7; Gal.1,1).
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Synoptiker und Act.: Die Zwölf (in Act. wird Paulus nur 14,4+14 Apostel
genannt). Die zwölf Apostel begegnen ferner Apk.21,14.
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Hebr.3,1: Jesus als ¢pÒstoloj]
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Die Säulen (stÚloi) - Als
Paulus ca. 48 zum Apostelkonzil kam hatte er es mit einem Dreiergremium
zu tun: mit dem Herrenbruder Jakobus, Kephas und dem Zebedaiden Johannes
(Gal.2,9). Die von Paulus verwendeten Bezeichnungen dokoàntej
(die Angesehenen) und stÚloi (Gal.2,6.9)
scheinen offiziellen Charakter zu haben (hier gibt es Anklänge an
die Terminologie der Qumransekte). Kurz nach dem Apostelkonzil wird nur
noch Jakobus allein an der Spitze der Gemeinde genannt (Gal.2,12).
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Die Ältesten - Auch die Anfänge dieses Amtes finden sich
in Jerusalem. Ein jüd. Verfassungsmodell war Vorbild: der jüd.
Ältestenrat (presbutšrion) in der Kommunal-
und in der Synagogenverfassung. Der Älteste galt hier als Repräsentant
der Tradition, der die Kontinuität der Gemeinschaft garantiert.
Das Sieben-Männer-Gremium der Jerusalemer Hellenisten (Act.6,1-6)
dürfte ein solcher Ältestenrat gewesen sein (Lk. beschränkt
die Funktion der Sieben auf das Karitative, um so ein Urbild des später
entstandenen Diakonats zu suggerieren - 6,2). Die aramäisch sprechende
Urgemeinde führte dieses Amt erst später ein. Seine Existenz
zur Zeit des Apostelkonzils ist unsicher, da sich Act.15,4+6+22; 16,4 und
Gal.2 widersprechen. Die Nichterwähnung der Ältesten bei Paulus
könnte aber auch darauf zurückzuführen sein, da er sie nur
als lokales Leitungsgremium ansah, und nur den "Säulen" gesammtkirchliche
Kompetenz einräumte.
Die Propheten - Man sah in der Auferweckung Jesu den Anbruch
des Eschaton und somit die Erfüllung der Verheiung der Wiederkehr
der Prophetie in der Endzeit (Joel 3,1-5; Act.2,17). Der urchristliche
Prophet verkündigte die kommenden eschatologischen Ereignisse und
den Willen Christi für die Gemeinde (Apk.19,10; 1.Kor.12,3); Prophetenspruch
schafft Recht, deckt Ungehorsam auf, enthüllt und überführt
(1.Kor.14,25; vgl. auch Act.11,27; 21,10 letztere Stellen sprechen gegen
einen rein institutionellen-juridischen Charakter der Jerusalemer Gemeinde).
| 5. Antiochia und der syrisch-palästinische
Raum |
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In der antiochenischen Gemeinde und ihrem Umfeld bildete sich eine prophetisch-charismatische
Ordnung aus (als Quellen werden Act., Mt. und Didache genannt). Act.13,1-3
nennt als Gemeindeleiter eine Gruppe von Propheten und Lehrer; Act.14,4.14
nennt Paulus und Barnabas in ihrer Eigenschaft als vom Geist bevollmächtigte
Wandermissionare Apostel. Paulus hat erst später (Gal.2,8)
dieses charismatische Wanderapostolat (Abgesandte der Gemeinde) vom Jerusalemer
Christusapostolat (Abgesandte Christi; vgl. oben) her neu interpretiert.
Das paulinische Apostolat bleibt aber von dem Wanderapostolat beeinflusst:
Wahrung der Freizügigkeit unter Ablehnung einer festen Bindung an
eine Ortsgemeinde (1.Kor.1,17; 3,10) und Beibehaltung des Unterhaltsverzichts
im Gegensatz zu den Jerusalemer Aposteln (1.Kor.9,3f.). Diese charismatische
Ordnung hat sich in ländlichen Gebieten bis ins 2.Jhdt hinein
erhalten. So ist der Didache ein gutes Bild von wandernden Aposteln,
Propheten und Lehrern zu entnehmen, deren Amtsbezeichnung und Funktion
sich noch nicht voneinander abgrenzen lassen (Did.11,3-6; auch Mt. spiegelt
diese Ordnung wider).
| 6. Der theologische Beitrag des
Paulus |
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Paulus schuf keine grundsätzliche Gemeindeordnung sondern
ging recht pragmatisch vor und überließ vieles der Improvisation.
Sein Beitrag liegt im Theologisch-Grundsätzlichen:
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christologische Verankerung im Verhalten Jesu: Sein Apostolat und
gemeindliche Funktionen bezeichnet er als diakon…a
(Röm.11,13;2.Kor.3,7ff;4,1): Weil Christus selbst Diener war, indem
er sich für andere dahingab, darum kann der von ihm Beauftragte sich
nur von seinem Dienst an anderen her verstehen (2.Kor.4,5).
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heilsgeschichtliche Bindung an Gottes Handeln im Evangelium: Paulus
deutet auf Grund seiner Berufung durch Christus sein Apostolat als Sendung
des Auferstandenen, das Evangelium zu predigen (Röm.1,1; Gal.1,16;
2,7f). Im Dienst des Apostels vollzieht sich das Evangelium (=sich worthaft
ereignendes Heilshandeln Gottes), und es ist zugleich Kriterium, von dem
her dieser Dienst zu beurteilen ist.
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ekklesiolog. Beziehung auf die Auferbauung des Leibes Christi: Dieser
Aspekt entwickelte sich in Auseinandersetzung mit den Enthusiasten Korinths.
Hier war die gemeindebezogene Funktion des Pneumatikertums verlorengegangen,
was die Korinther zu einem Haufen von miteinander im Wettstreit um den
Geistesbesitz liegenden Individualisten machte. Dagegen entwarf Paulus
das Bild vom Leib Christi, dessen Glieder einander nach Kräften
dienen, wodurch der Leib als ganzes Funktionsfähigkeit erlangt (1.Kor.12,
12-27; Röm.12,4f). Leib Christi ist die Gemeinde bereits durch Jesu
heilwirkende Tat (1.Kor.10,17). Gottes Wirken muss durch Gestaltung des
Miteinanders konkrete Gestalt gewinnen. Es gibt kein die Kirche tragendes
oder konstituierendes Amt, wohl aber Dienste, in denen sich
das kirchliche Leben ordnet (1.Kor.14,33). Dieser Ansatz lässt eine
große Flexibilität zu, denn er macht die konkrete gemeindliche
Situation zum Ausgangspunkt der Gestaltung der Dienste.
funktionale Zuordnung zum Bereich des Pneumatischen: Im Geist
manifestiert sich der Auferstandene mit seiner Macht. Als Getaufter hat
der Christ Anteil an der c£rij; sie ist
das Lebensprinzip, in dem sich der Geist konkretisiert. c£rijma
wiederum ist nach Paulus die Individuation der c£rij.
Erkennen kann man die Charismen nicht an einer besonderen Übernatürlichkeit,
sondern daran, ob sie der Auferbauung der Gemeinde dienen. So kann
jede natürliche Fähigkeit des Menschen, indem sie vom Geist in
Dienst genommen wird, zum Charisma werden (1.Kor.12,28).
| 7. Die paulinischen Gemeinden |
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Die Liste der Charismen in 1.Kor.12,28-31 stellt als besondere Gruppe
drei
personengebundene Dienste voran: Apostel, Propheten und Lehrer.
Dann folgen die unpersönlich gehaltenen weiteren Funktionen. Daraus
eine prinzipielle Unterscheidung zwischen übergemeindlich-charismatischen
Ämtern und lokal-administrativen Diensten abzuleiten (so A.Harnack)
ist jedoch verfehlt, da bei Paulus lediglich das traditionelle Gewicht
der Wandercharismatiker zum Ausdruck kommt; so soll nach 1.Kor.14,31 sich
die Prophetie vom einzelnen Propheten lösen und auf alle Gemeindeglieder
übergehen (über das Lehren vgl. Röm.12,7). Lediglich der
Apostel
hat eine übergemeindliche Sonderstellung inne.
Die Dienste von Gemeindeleitung und -verwaltung haben sich zunächst
aus aktuellem Bedürfnis entwickelt. 1.Kor.16,15f. nennt Stephanas,
der sich zum "Dienst an den Heiligen" zur Verfügung stellt. Diesen
Dienern soll sich die Gemeinde unterordnen. Seine Aufgaben sind: Schlichtung
von Streitigkeiten (1.Kor.6,1), Eingreifen bei elementaren Verstöen
gegen die christl. Lebensregeln (1.Kor.5). proist£menoi
(Vorsteher) werden diese Diener an der Gemeinde genannt (1.Th.5,12ff.).
Ein festes Amt ist es hier noch nicht.
Auf Dauer musste darauf geachtet werden, dass bestimmte Dienste regelmäßig
wahrgenommen wurden. Man konnte nicht darauf warten, dass mal wieder ein
Charisma ausbrach, das eine eben anstehende Aufgabe bewältigte. Diese
Phase der Entwicklung zeigt sich im Phil., wo in 1,1 ™p…skopoi
und
di£konoi genannt werden. ™p…skopoj
bezeichnet im Profangriechisch den Aufseher oder Gemeindebeamten, stammt
also aus der Verwaltungssprache. Dieses Wort wurde zur festen Amtsbezeichnung
für die Träger der ¢ntil»myeij
(Hilfeleistungen), kubern»seij (Leitungsdienste)
und proist£menoi (Vorsteher).
Aufgaben der ™p…skopoi: Administration, Wahrung
gemeindlicher Ordnung, Leitung der Mahlversammlung. Wie die Vorgeschichte
des Diakonenamtes nahelegt (di£konoj bedeutet
ursprünglich Tischdiener), ist es wohl aus einer Funktion beim Gemeindemahl
entstanden. Nach Röm.16,1 hatten die di£konoi
insbesondere karitative Aufgaben.
| 8. Die nachpaulinische Entwicklung |
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Älteste und Episkopen - In der Zeit nach Paulus verschmolz
die paulinische Episkopenverfassung mit der palästinischen Ältestenverfassung.
Dies war möglich, weil sich beide Verfassungen in ihrem äueren
Erscheinungsbild einander angepasst hatten: bei beiden Leitungsgremien,
wobei bei den Ältesten lediglich das patriarchalische Element und
bei den Episkopen das charismatische Element stärker betont wurde.
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1.Petr.5,1-5; Act.14,23; 20,17 beschreiben das Ältestenamt als Aufsichtsamt;
beide Stellen setzen Älteste und ™p…skopoi
gleich.
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Die Pastoralbriefe sehen in Gemeinden, in denen das Ältestenamt
vorgegeben war, dieses in den Rahmen einer Episkopenordnung (1.Tim.3,1-7;
Tit.1,5-9). Das patriarchalische Element soll ausgeschaltet werden, indem
nur solche Bewerber berufen werden, die hinreichend qualifiziert sind.
Doch wird hier auch noch mit Ältesten gerechnet, die funktionslos,
auf Grund ihres Alters und Ansehens Älteste sind (1.Tim.5,1+17+19).
Funktionen des Episkopenamtes sind: der Episkop bewahrt als Haushalter
Gottes (Tit.1,7) die überlieferte gesunde Lehre (2.Tim.1,13) und bringt
sie in Verkündigung und Lehre zur Geltung (1.Tim.3,2; Tit.1,9). Lehr-
und Prophetenfunktion ist hier restlos in die Gemeindeleitung integriert;
die Episkopen sind allerdings noch als Kollegium gedacht (1.Tim.3,2; Tit.1,7),
noch sind nicht alle Funktionen in einer Hand vereint.
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Der Epheserbrief vermittelt eine Dreiheit der Ämter:
Evangelisten, Hirten und Lehrer (4,11). Wobei aber fraglich bleibt, ob
es sich hier um drei verschiedene Amtsträger handelt. Sachlich scheint
das Hirtenamt dem Episkopenamt zu entsprechen.
Ordination - Der öffentliche Einführungsakt der Ordination
als äußere Legitimation des Amtes tritt erstmals in den Pastoralbriefen
auf (1.Tim.4,14; 2.Tim.1,6). Religionsgeschichtliches Modell ist die Ordination
der jüdischen Schriftgelehrten. Die Ordinationshandlung bestand
aus 3 Teilen:
-
Übergabe einer Zusammenfassung der grundlegenden apostolischen Lehrtradition
(paraq»kh = das anvertraute Gut), wohl
als Glaubensformel (2.Tim.2,2).
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Bekenntnis des Ordinanden vor Zeugen (1.Tim.6,12), wohl Sprechen der übergebenen
Glaubensformel.
-
Verleihung des Amtscharisma und des Amtsauftrags durch Handauflegung der
Episkopen (2.Tim.1,6; vgl.1.Tim.6,14 -> Amt auf L benszeit)
Sinn der Ordination: Öffentliche Übertragung des zum Dienst an
der Gemeinde befähigenden und verpflichtenden Amtsauftrags. -> streng
gemeindeorientierter
Auftrag. Ordinationsparänese: 1.Tim.6,11-16 Der Ordinierte ist
an seinen Auftrag gebunden; die Amtsgabe wirkt nicht aus sich selbst, sondern
nur wenn sie bejaht wird; Eifer und Einsatz ist verlangt; dazu bedarf es
der ständigen Erinnerung an die Ordination; der Ordinierte untersteht
der Norm der rechten Lehre; ihrer Kontinuität gegenüber muss
er sich in seiner Kontinuität bewähren.
| 9. Die Amtskonzeption der ausgehenden
apostolischen Zeit |
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Drei Konzeptionen treten um die Jahrhundertwende hervor, von denen jede
eine weitreichende Wirkungsgeschichte hatte:
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Die Pastoralbriefe: Das leitende Interesse der Pastoralbriefe ist
die Bewahrung der eindeutigen Gestalt des apostolischen Evangeliums.
Deshalb ist es wichtig, da in allen Generationen Leute da sind, die durch
öffentlichen Amtsauftrag legitimiert, als verantwortliche Wahrer des
übertragenen Erbes wirken (1.Tim.6,20). Das Amt hat zwar keine Gewalt
über das Evangelium, doch wird durch seine geordnete Struktur und
kontrollierte Weitergabe die Konstanz der Überlieferung gesichert.
In der starken Betonung von Tradition und Lehre geschieht eine Verengung,
da das Moment des personhaften Dienens zu kurz kommt. Die Freiheit des
Evangeliums gegenüber dem Amt bleibt aber noch gewahrt. Insofern ist
die Schwelle zum Frühkatholizismus noch nicht überschritten.
Nachwirkung: In den lutherischen Reformationskirchen, die bei der Neubegründung
des Amtes den Momenten der rechten Lehre und Verkündigung sowie der
öffentliche Berufung (CA V) die Funktion der Gemeindeleitung bestimmten.
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Der 1.Clemensbrief (Kp.42-44; um 96 entst.): Clemens vertritt das
Prinzip der Unabsetzbarkeit der Amtsträger: ™p…skopoi
und
di£konoi sind Repräsentanten der von Gott gestifteten
Ordnung; ihre Einsetzung geht auf Christus zurück: Gott sendet Christus,
Christus sendet die Apostel, die Apostel setzen Bischöfe und Diakone
ein, die im Todesfall durch andere zu ersetzen sind. Die Legitimität
der Amtsträger gründet in ihrer ordnungsgemäen Einsetzung.
Erstmals werden auch kultische Termini zur Beschreibung der Funktion
der Amtsträger benutzt und zwischen Amtsträgern und Laien
unterschieden; das Kirchenvolk (auch "der Haufe" genannt) kann noch in
einigen Fällen Mehrheitsbeschlüsse fassen, der Einsetzung eines
Episkopen zustimmen; der Amtsträger ist jedoch für das gemeine
Fußvolk unantastbar geworden. Konsequenz: Das Amt wird hier einseitig
als rechtliche Ordnung gesehen und nicht mehr von seiner Funktion her
begründet. Es ist nicht mehr der Gemeinde zugeordnet, sondern als
von Gott gestiftete Ordnung nicht mehr hinterfragbar und der Gemeinde
absolut übergeordnet. Die dienende Abhängigkeit vom Evangelium
ist nicht mehr erkennbar. Überall da, wo man die Kirche primär
als rechtliche Größe sieht, beruft man sich noch heute auf Clemens
(Röm. Katholizismus).
Die Ignatiusbriefe (7 um 110 entst. Briefe): Sie sind die ersten
eindeutigen Zeugen des monarchischen Episkopats. Ignatius war alleiniger
™p…skopos
in Antiochia und auch in den angeschriebenen Gemeinden lag die Leitung
in der Hand eines einzelnen. Der ™p…skopoj stand
an der Spitze eines dreistufigen Ämtersystems, bestehend aus
™p…skopoi,
presbÚteroi
und di£konoi. Das Presbyterium leitete
zusammen mit dem Bischof die Gemeinde, die Diakone waren mit Lehre und
Verkündigung befasst und pflegten die Verbindungen zwischen den Gemeinden.
Episkopen- und Ältestenamt beginnen hier wieder auseinanderzutreten.
Der von Paulus herkommende pneumatische Ansatz verbindet sich mit einer
platonisierten
Ontologie: Der Bischof ist der Punkt, wo "die himmlische Realität
der Kirche...irdisch manifest wird" (Roloff, 75). Die irdische Hierarchie
ist Abbild der himmlischen. Grundsatz: Wo Christus ist, da ist die katholische
Kirche; wo der Bischof ist, soll die Gemeinde sein wie da, wo Christus
ist (vgl.: Ign. Sm.8,2). "Der Bischof bildet gleichsam auch den Kristallisationspunkt
der durch den Geist gewirkten Gaben und Kräfte, die die Gemeinde zum
Leib Christi machen." (Roloff, 75) Konsequenz:
Das Amt wird von der
Norm des Evangeliums abgelöst. Es finden sich hier Motive, die
für die spätere Ostkirche bestimmend werden.
Literatur: J.Roloff, NT, S.62-76.
Copyright: Matthias Kreplin, 2000
